Deutsches Historisches Institut Paris
Max Weber Stiftung
Computer und Internet haben die Art und Weise, wie Forscher kommunizieren und zusammenarbeiten, grundlegend verändert. Ab Anfang der 90er Jahre konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über verschiedene Orte und Zeitzonen hinweg kollaborativ an Text, Bild, Audio, Video und Code arbeiten. Während E-Mail, Newsgroups und Online-Chats eine many-to-many-Kommunikation im virtuellen Raum ermöglichten, kamen die wichtigsten aktuellen Entwicklungen in der wissenschaftlichen Online-Kommunikation durch soziale Medien: mit Microblogging, Blogs, Wikis und Social Network Sites (SNS) wie Facebook, Academia.edu, ResearchGate und anderen. Durch sie wurden die Hindernisse für die Veröffentlichung und Kommunikation im Internet deutlich reduziert. Produktionsprozesse, die bisher professionelles Wissen, Ausrüstung und Kapital erforderten, können nun von einfachen Personen mit Computer- und Internetzugang durchgeführt werden. In der Folge wurde das Ökosystem der wissenschaftlichen Kommunikation breiter, schneller, interaktiver, dynamischer, multimodaler und zunehmend vernetzter (König 2015).
Als öffentlich geführte wissenschaftliche Notizbücher eignen sich insbesondere Wissenschaftsblogs zur selbstkritischen Reflektion des eigenen Forschungsprozesses wie auch zur Dokumentation desselben. Nicht nur Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern bietet Bloggen die Möglichkeit, bereits in einem frühen Stadium auf ihr Projekt aufmerksam zu machen, mit erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Austausch zu treten, sich zu vernetzen, Schreiben zu üben und Gedanken im Schreibprozess zu ordnen. Wissenschaftsblogs haben ein hohes Potential für die schnelle Verbreitung und Diskussion aktueller Forschungsinhalte und nutzen die Möglichkeiten des Web 2.0 für eine direkte und interaktive Publikation, bei der multimediale Inhalte
wie Bilder, Grafiken, Animationen und Verlinkungen ohne Mehrkosten eingebunden werden können. Wissenschaftsblogs werden zwar zumeist für die eigene Fachcommunity geschrieben, sie sind jedoch offen einsehbar und werden ebenso von Journalisten und von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen.
Wissenschaftsblogs bieten Einblicke in die Werkstatt von Forschenden und zeigen Forschung im Entstehen (Mounier 2013). Gerade in den Digital Humanities sind Blogs und Twitter die wichtigsten Medien für die Diskussion neuer Forschungsansätze und Methoden (Ullyot 2012). Blogs dokumentieren den Forschungsprozess und damit die Phase vor der abschließenden Projektveröffentlichung. Damit ersetzen sie bisherige Praktiken und Formate der Kommunikation und Publikation zumeist nicht – auch wenn sie es theoretisch könnten –, sondern ergänzen diese und stellen in ihrer Ausprägung etwas Neues dar: ein eigenes Format, das Kennzeichen aus der analogen (mündlich wie schriftlichen) und der digitalen Wissenschaftskommunikation als „missing link“ mischt und um neue Merkmale ergänzt. Wenn das Medium die Botschaft ist (Marshall McLuhan), dann zeigen bloggende Forscherinnen und Forscher, wie sie sich Wissenschaft vorstellen: offen, vernetzt, horizontal, direkt, schnell, vielseitig, multimedial… und mit der akzeptierten Möglichkeit, sich zu irren (König 2015). Forschende schreiben in Blogs über einzelne Aspekte ihres Themas, über Publikationen, die sie gelesen haben, über Vorträge und Veranstaltungen, die sie besucht oder über Begegnungen, die sie inspiriert haben. Blogbeiträge handeln von einem konkreten Ereignis oder Gegenstand oder entwickeln theoretische und methodische Überlegungen. Zumeist zeigt ein Wissenschaftsblog die subjektive Lebenswelt der Forschenden und macht somit ganz generell die Subjektivität der Wissenschaft und des wissenschaftlichen Tuns deutlich.
Mit de.hypotheses.org wurde Anfang 2012 eine Plattform für geistes- und sozialwissenschaftliche Blogs geschaffen, in deren Umfeld seither eine stetig wachsende deutschsprachige Community als Teil eines europäischen Netzwerks entstanden ist. Mittlerweile sind dort über 500 deutschsprachige Blogs aus allen geisteswissenschaftlichen Disziplinen vereint. Die Blogplattform trägt zur Sichtbarkeit und zur Vernetzung der Bloggenden bei und ist eine zentrale Anlaufstelle, bei der die Blogs langzeitarchiviert werden, eine ISSN verliehen bekommen und die Blogbeiträge mit Permalinks ausgestattet sind. Für die Startseite des Portals werden von einer Redaktion und vom Community Management die aktuell besten Beiträge ausgewählt und kuratiert, die darüber eine erhöhte Sichtbarkeit erhalten.
Die bei de.hypotheses vorhandenen unterschiedlichen Blogtypen belegen die große Vielfalt der geisteswissenschaftlichen Blogosphäre. Es gibt Blogs von Forschergruppen und zu Forschungsprojekten, thematische Gemeinschaftsblogs, Blogs zu Quellen und Methoden, Blogs von Instituten und wissenschaftlichen Einrichtungen wie Archive und Bibliotheken, Seminar- und Tagungsblogs, Blogs, die eine Zeitschrift oder eine Publikation begleiten, Blogs für Lehre und Didaktik, Fotoblogs, Blogs zu einer wissenschaftlichen Debatte etc. (König 2013).
Der auf einen halben Tag angelegte Workshop knüpft direkt an den medientheoretischen und –praktischen Teil des Tagungsthemas an und richtet sich an DH-Forschende, die bisher noch nicht bloggen und ein eigenes Wissenschaftsblog anlegen möchten – ob als Einzel- oder als Gemeinschaftsblog, ob begleitend zur Lehre oder zu einem Forschungsprojekt – und dafür ein Konzept entwickeln und grundlegende inhaltliche und technische Überlegungen anstellen und praktisch einüben möchten.
Im Rahmen des Workshops wird zum einen die theoretische und konzeptionelle Seite des wissenschaftlichen Bloggens als eigenes multimediales Medium besprochen, zum anderen ein praktischer Teil angeboten. Zunächst werden einleitend verschiedene aktuelle Praktiken des Wissenschaftsbloggens, der besondere Schreibstil und die Interaktion mit der Leserschaft thematisiert und Elemente für die Strategiebildung für ein eigenes Wissenschaftsblog erläutert (darunter: was bloggen? wie bloggen? wie viel Zeit investieren? für welches Publikum? alleine oder kollaborativ bloggen? wie Themen für das Wissenschaftsblog finden? (Scherz 2013). Es werden best practice Beispiele aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen und aus den DH vorgestellt. Gegenstand der Diskussion sind darüber hinaus rechtliche Fragen (vom Einbinden fremder Inhalte wie Bilder und Videos und dem Lizenzieren eigener Inhalte, über die Bestimmungen der DSGVO bis hin zum „Eigenplagiat“ bei Promovierenden usw.) sowie die Frage nach dem „return of investment“ des Bloggens, das durchaus zeitintensiv sein kann und aufgrund der zumeist mangelnden offiziellen Anerkennung überlegt erfolgen sollte. Thematisiert wird außerdem der Umgang mit Kommentaren im Blog sowie die Frage, was Promovierende über ihre Dissertationen bloggen können und was nicht.
In einem Hands-on-Teil – der etwa drei Viertel der Zeit des Workshops einnehmen wird – werden anschließend Schritt für Schritt die einzelnen Aspekte der Blogpraxis vorgestellt und vorgeführt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vollziehen die einzelnen Schritte an eigens eingerichteten Wordpress-Schulungsblogs nach, von der Gestaltung und Einrichtung des Blogs, der Formulierung einer guten Überschrift, einer sinnvollen Navigation und Kategorienbildung bis hin zum Einbetten von Videos, und wenden damit das Gelernte sofort an. Sie lernen darüber die Grundlagen moderner CMS-Systeme kennen. Während des Workshops werden parallel zum praktischen Teil Tipps gegeben für die Anfangsphase eines wissenschaftlichen Blogs und für Themen wie Suchmaschinenoptimierung, Menüführung und graphische Gestaltung.
Inhalte und Übungen des Praxisteils sind: Erstellen einer Menüleiste, öffentliche Autorennamen einstellen und Profil ausfüllen, Rechteverwaltung bei mehreren Nutzerinnen und Nutzern, Titel und Untertitel ändern, Design-Theme auswählen (welche sind für welche Form des Bloggens geeignet?), Bild in die Kopfzeile einfügen, Nennung des Urhebers und Lizenz, eigenen Artikel erstellen, Überschrift auswählen, Zitat einfügen, Fußnoten, Verlinkung einfügen, Weiterlesen-Button, Bildrechte, Bilder und Lizenzen einfügen (Grundlagen CC-Lizenzen), Kategorien, Schlagwörter zuweisen, Seite anlegen, Menü anlegen, Meta, Text, Bild und Link, RSS-Feed, Verknüpfung zu Twitter, Videos einbinden, Statistiken lesen, Reichweite vergrößern, rechtliche Bestimmungen der DSGVO, Umgang mit Kommentaren.
Die Anzahl der Teilnehmenden ist auf 25 begrenzt. Der Workshopraum sollte über ein W-Lan und einen Beamer verfügen. Eine weitere technische Ausstattung wird nicht benötigt. Besondere technische Vorkenntnisse sind für die Teilnahme nicht erforderlich. Ein eigenes Laptop oder ein anderes Endgerät muss selbst mitgebracht werden.
Workshopleiterinnen: Dr. Mareike König: Sie ist Projektleiterin der deutschsprachigen Plattform für geisteswissenschaftliche Blogs de.hypotheses und leitet dort die Redaktion. Ihre Forschungsinteressen beziehen sich auf Wissenschaftskommunikation im Web 2.0 und hier speziell auf das Wissenschaftsbloggen als neue Form des wissenschaftlichen Schreibens als Herausforderung für unsere Wissenschaftskultur.
Kontakt: Dr. Mareike König, DHIP, 8, rue du Parc Royal, 75003 Paris, mkoenig@dhi-paris.fr
Ulla Menke: Sie ist Community Managerin der Blogplattform de.hypotheses seit 2016 und arbeitet in der Max Weber Stiftung. Als Community Managerin kümmert sie sich um die rund 350 Wissenschaftsblogs, die es auf der Plattform de.hypotheses derzeit gibt und steht den Bloggenden seit 2016 mit Tipps und Hilfe bei Fragen rund um Technik, SEO, Blognavigation und Bloggestaltung zur Seite.
Kontakt: Ulla Menke, Max Weber Stiftung, Rheinallee 8, Bad Godesberg, menke@maxweberstiftung.de
Bibliographie
König, Mareike (2013):
Die Entdeckung der Vielfalt: Geschichtsblogs auf der internationalen Plattform hypotheses.org,
in:
Haber, Peter / Pfanzelter, Eva (eds.):
Historyblogosphere. Bloggen in den Geschichtswissenschaften,
München: Oldenbourg 181–197.
König, Mareike (2015):
Herausforderung für unsere Wissenschaftskultur: Weblogs in den Geisteswissenschaften
in:
Schmale, Wolfgang (ed.):
Digital Humanities. Praktiken der Digitalisierung, der Dissemination und der Selbstreflexivität,
Stuttgart: Steiner 57-74.
Scherz, Sabine (2013a):
Warum sollte ich als Wissenschaftler/in bloggen?
in Redaktionsblog, 21.5.2013,
https://redaktionsblog.hypotheses.org/1209.
Scherz, Sabine (2013b):
Mein erster wissenschaftlicher Blogartikel – was schreibe ich bloß?
in Redaktionsblog, 24.5.2013,
https://redaktionsblog.hypotheses.org/1214.
Scherz, Sabine (2013c):
Wie finde ich Themen für mein Wissenschaftsblog?
in Redaktionsblog, 28.5.2013,
https://redaktionsblog.hypotheses.org/1217.
Scherz, Sabine (2013d):
Texte für das Wissenschaftsblog schreiben, wie?
in Redaktionsblog, 5.6.2013,
https://redaktionsblog.hypotheses.org/1220.
Mounier, Pierre (2013):
Die Werkstatt öffnen: Geschichtsschreibung in Blogs und sozialen Medien,
in:
Haber, Peter / Pfanzelter, Eva (eds.):
Historyblogosphere. Bloggen in den Geschichtswissenschaften,
München: Oldenbourg 51-59.
Ullyot, Michael (2012):
On Blogging in the Digital Humanities,
in: Ullyot, http://ullyot.ucalgaryblogs.ca/2012/02/24/on-blogging-in-the-digital-humanities/.
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March 25, 2019 - March 29, 2019
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Conference website: https://dhd2019.org/
Contributors: Patrick Helling, Harald Lordick, R. Borges, & Scott Weingart.
Series: DHd (6)
Organizers: DHd