Akademie der Wissenschaften und der Literatur (ADW) Mainz
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) (Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities)
Humboldt-Universität zu Berlin (Humboldt University)
Software ist in vielen Fällen ein integraler Bestandteil von Forschungsaktivität, so auch in den Digital Humanities zur Bearbeitung von geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschungsfragen mit digitalen Methoden. Im weiteren Sinn verstanden reicht das Anwendungsfeld für geisteswissenschaftliche Forschungssoftware von der täglichen Arbeit mit Webbrowsern und Textverarbeitungsprogrammen bis hin zum Einsatz spezialisierter Softwarelösungen, virtueller Forschungsumgebungen oder auch webbasierter Publikations- und Analyseinstrumente für geisteswissenschaftliche Forschungsdaten. Im engeren Sinn verstanden ist Forschungssoftware in den Digital Humanities als Summe spezifischer Komponenten aufzufassen, die unter entwicklerischer Durchdringung der jeweiligen geisteswissenschaftlichen Wissens- und Anwendungsdomäne konzipiert und implementiert werden.
Zum aktuellen Zeitpunkt finden die Entwicklungsprozesse für Forschungssoftware in den Digital Humanities häufig noch isoliert, unreflektiert, undokumentiert, nicht an gängigen Industriestandards ausgerichtet und insbesondere nicht innerhalb eines organisierten, disziplinspezifischen Rahmens statt. Aus dieser Situation heraus ergibt sich ein eminentes Nachhaltigkeitsproblem für geisteswissenschaftliche Forschungssoftware. Dies verwundert umso mehr, denn während das Bewusstsein für eine nachhaltige Erschließung kultureller Objekte durch die Entwicklung und den Einsatz entsprechender systemneutraler Datenformate und -standards inzwischen als hoch eingeschätzt werden kann, spielt die Ebene der Softwareentwicklung in den Nachhaltigkeitsdiskussionen der Digital Humanities kaum eine Rolle. Während andere Disziplinen wie beispielsweise die Natur- und Ingenieurswissenschaften, aber auch die informatisch geprägten Lebenswissenschaften diese Problematik erkannt und erste Gegenmaßnahmen ergriffen haben, gilt in den Digital Humanities immer noch das schon vor Jahren geprägte Mantra „Data ages like wine, software ages like fish“.
Hinzu kommt, dass DH-Softwareentwickler_innen häufig noch als digitale Geisteswissenschaftler_innen 'zweiter Klasse' wahrgenommen werden und deutlich schlechtere Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer akademischen Karriere haben – obwohl sie die 'Ermöglichenden' bzw. zentrale Beitragende zum jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn sind (vgl. Brett 2017, S. 22).
Der 2016 von Simon Hettrick vorgelegte Bericht des
Software Sustainability Institute kommt in Bezug auf die generellen Voraussetzungen zur Steigerung der Nachhaltigkeit von Forschungssoftware zu folgendem Schluss: „Many researchers know how to code, but few understand the wider set of skills that are needed to develop reliable, reproducible and reusable software. […] software engineering should be incorporated […] at the very start of a research career“. (Hettrick 2016, S. 14).
Der hier vorgeschlagene Workshop versteht sich als eine erste Maßnahme, in den Digital Humanities im deutschsprachigen Raum einen kritischen Reflexionsprozess zum Thema 'Nachhaltige Softwareentwicklung' anzustoßen und durch die Etablierung einer gemeinsamen Diskussionsplattform ein stärkeres Bewusstsein für diesen zentralen, aber vernachlässigten Baustein guter Digital Humanities Forschung zu wecken.
Der Workshop bildet den Arbeitsauftakt für die ins Auge gefasste Beantragung einer AG
Research Software Engineering innerhalb des DHd-Verbandes (AG DH-RSE). Ziel ist es, im Rahmen des Workshops möglichst vielen Wissenschaftler_innen sowohl aus universitären wie auch außeruniversitären Kontexten, die als digitale Geisteswissenschaftler_innen im Feld der geisteswissenschaftlichen Softwareentwicklung tätig sind, ein gemeinsames Forum für die Arbeit an einem 'Manifest' für eine gute und nachhaltige Implementierungspraxis zu geben. Dieses Manifest versteht sich gleichzeitig als Gründungsdokument der AG DH-RSE. Eine im Vorfeld dieser Einreichung getätigte informelle Erhebung hat einen großen Bedarf für ein solches Format ermittelt. Die Gruppe von Interessent_innen und potentiellen Teilnehmer_innen eines solchen Workshops sowie der angestrebten AG besteht bereits jetzt aus 20 Personen. Die Ausrichtung in Form eines Workshops auf der DHd-Konferenz soll das Einzugsgebiet und die Teilnahmemöglichkeit für weitere interessierte DH-Softwareentwickler_innen vergrößern und öffnen, wobei als Zielgruppe insbesondere solche Entwickler_innen aus dem inner- wie außeruniversitären Kontext ins Auge gefasst werden, die über eine entsprechende Projekterfahrung verfügen.
In Anlehnung an die im anglo-amerikanischen Raum bereits etablierte
UK Research Software Engineer Association (
http://rse.ac.uk/who/
) und den
Workshops on Sustainable Software for Science: Practice and Experiences (WSSSPE,
http://wssspe.researchcomputing.org.uk
) wird der DHd-Workshop verschiedene Formate integrieren. Hierzu gehören neben einer
Keynote auch
Lightning Talks und
Breakout Groups, die sich im Verlauf des Workshops spezifischen Unterthemen widmen. Eine Zusammenfassung zum Ende des Workshops fokussiert auf den erreichten Stand des gemeinsamen Manifests sowie auf die konkreten weiteren Schritte zur Implementierung der AG DH-RSE. Der Workshop gliedert sich wie folgt:
Impuls: Warum eine AG DH-RSE?
Keynote
Impuls: Gegenwärtige
best practices im Bereich nachhaltiger Softwareentwicklung
Breakout Groups
a) Ausbildung, Training, Software Carpentry, Standards
b) Struktur, Infrastruktur, Workflows für die AG DH-RSE
c) Definitionen: Sustainability, Software, Dokumentation, etc.
d) Manifest der AG DH-RSE; mit agiler Integration von Gruppen a), b), c)
Wrap-Up und Online-Veröffentlichung der Workshop-Ergebnisse sowie einer ersten Version des Manifests
Im Fazit möchte der Workshop eine kritische Reflexion der gegenwärtigen Prozesse und Praktiken im Bereich der DH-Softwareentwicklung anstoßen, eine erste Kartierung dieses wissenschaftlichen Tätigkeitsfeldes und seiner Akteure erstellen und eine Organisationsform für eine koordinierte Weiterentwicklung dieses wichtigen Teilbereiches der Digital Humanities finden. Als Startplattform für den Workshop steht eine GitHub-Website zur Verfügung, an der im Rahmen des Workshops kollaborativ gearbeitet wird:
https://dh-rse.github.io/dhd-workshop-2018/.
Kontaktdaten und Forschungsinteressen der Beitragenden
Torsten Schrade
Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz
Geschwister-Scholl-Str. 2
55131 Mainz
06131/577 119
Torsten.Schrade@adwmainz.de
Torsten Schrade ist Leiter der Digitalen Akademie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz und Professor für Digital Humanities an der Hochschule Mainz. Zu seinen Forschungsinteressen zählen Methoden, Verfahren und Prozesse zur Steigerung der Nachhaltigkeit und Qualität geisteswissenschaftlicher Forschungssoftware, insbesondere aus dem Umfeld der agilen Softwareentwicklung. Weitere Schwerpunkte liegen im Forschungsdatenmanagement, dem Einsatz von Webtechnologien für geisteswissenschaftliche Forschungsapplikationen sowie der Anwendung von
Semantic Web und
Linked Open Data Technologien zur Erschließung neuer Analyse- und Nachnutzungspotentiale für geistes- und kulturwissenschaftliche Forschungsdaten.
Stephan Druskat
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für deutsche Sprache und Linguistik
Unter den Linden 6
10099 Berlin
030/2093 9726
stephan.druskat@hu-berlin.de
Stephan Druskat arbeitet als Research Software Engineer in der Linguistik und den Digital Humanities. Seine Forschungsinteressen umfassen die technische Nachhaltigkeit von Forschungssoftware, ihre Messung und Dokumentation, die Anwendung informatischer Methoden auf die Entwicklung von Forschungssoftware und Community- und Öffentlichkeitsaspekte dieses Feldes. Weitere Schwerpunkte liegen auf Forschungsdatenmanagement, insbesondere die Langzeitverfügbarkeit und Nachnutzbarkeit von Sprachdaten. Er ist aktives Mitglied von de-RSE, der Interessenvertretung der Research Software Engineers in Deutschland und Teil von WSSSPE, einer internationalen Arbeitsgruppe zur Nachhaltigkeit von Forschungssoftware.
Alexander Czmiel
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
TELOTA - The electronic life of the Academy
Jägerstr. 22/23
10117 Berlin
030/20370276
czmiel@bbaw.de
Alexander Czmiel ist seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der TELOTA-Initiative der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und dort für die fachliche Beratung und Umsetzung von Projekten im Bereich der "Digital Humanities" verantwortlich. Seine Forschungsinteressen konzentrieren sich vor allem auf den Bereich der Digitalen Editionen und dort auf Konzepte, Workflows, Standardisierungsmöglichkeiten und Nutzeroberflächen. In diesem Kontext treibt ihn sein einiger Zeit die Nachhaltigkeit der Funktionalitätsschicht Digitaler Editionen um. Seit kurzem beschäftigt er sich zudem mit den Möglichkeiten von Augmented und Virtual Reality in den Digital Humanities.
Dies wird bspw. am Programm der letzten internationalen RSE-Konferenz (September 2017, Manchester,
http://rse.ac.uk/conf2017/
) und der fachlichen Provenienz der Vortragenden deutlich. S.a. die Verteilung der Disziplinen in
Hettrick, S. et. al (2014): "UK Research Software Survey 2014"
[Data set], Zenodo,
http://doi.org/10.5281/zenodo.14809
[letzter Zugriff am 25.09.2017].
Bibliographie
Brett, Alys / Croucher, Michael et.al. (2017): "Research Software Engineers: State of the Nation Report 2017", Zenodo
http://doi.org/10.5281/zenodo.495360
[letzter Zugriff am 25.09.2017].
Czmiel, Alexander (2017): "Dokumentation, Werkzeugkasten, Pakete - Nachhaltigkeit von Daten und Funktionalität Digitaler Editionen", Einreichung für die DHd-Konferenz 2018, Köln.
Druskat, Stephan / Vertan, Cristina (2017). "Nachnutzbarmachung von Forschungsdaten und Tools am Beispiel altäthiopischer Korpora", Einreichung für die DHd-Konferenz 2018, Köln.
Druskat, Stephan / N. Chue Hong et.al. (2017): "Proceedings of the Workshop on Sustainable Software for Science: Practice and Experiences (WSSSPE5.1)", figshare
https://doi.org/10.6084/m9.figshare.c.3869782
[letzter Zugriff am 25.09.2017].
Faniel, Ixchel (2015): "Data Management and Curation in 21st Century Archives", 21. September 2015
http://hangingtogether.org/?p=5375
[letzter Zugriff am 25.09.2017].
Fowler, Martin (2001): "Manifesto for Agile Software Development",
http://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html [letzter Zugriff am 25.09.2017].
Hettrick, Simon (2016): "Research Software Sustainability: Report on a Knowledge Exchange Workshop", Edinburgh, The Software Sustainability Institute
http://repository.jisc.ac.uk/6332/1/Research_Software_Sustainability_Report_on_KE_
Workshop_Feb_2016_FINAL.pdf
[letzter Zugriff am 25.09.2017].
Hong, N. Chue et al. (2010): "Software Preservation Benefits Framework. Software Sustainability Institute Technical Report", Edinburgh, The Software Sutainability Institute
http://www.research.ed.ac.uk/portal/files/1219870/SoftwarePreservationBenefitsFramework.pdf [letzter Zugriff am 25.09.2017].
Katz, Daniel S. et al. (2016): "Report on the Fourth Workshop on Sustainable Software for Science: Practice and Experiences (WSSSPE4)", The Computing Research Repository (CoRR), abs/1705.02607
https://arxiv.org/abs/1705.02607
[letzter Zugriff am 25.09.2017].
Komus, Ayelt et.al. (2015): "Studie Status Quo Agile", Hochschule Koblenz, BPM Labor
http://www.status-quo-agile.de/
[letzter Zugriff am 25.09.2017].
Schrade, Torsten (2017): "Nachhaltige Softwareentwicklung in den Digital Humanities. Konzepte und Methoden", in: Konferenzband der DHd2017, Bern 2017, S. 168-171,
http://www.dhd2017.ch/wp-content/uploads/2017/03/Abstractband_def3_März.pdf und
https://digicademy.github.io/2017-dhd-sustainable-software/
[letzter Zugriff am 25.09.2017].
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In review
Cologne, Germany
Feb. 26, 2018 - March 2, 2018
160 works by 418 authors indexed
Conference website: https://dhd2018.uni-koeln.de/
Contributors: Patrick Helling, Harald Lordick, R. Borges, & Scott Weingart.
Series: DHd (5)
Organizers: DHd