Annotationen anhand der Gemeinsamen Normdatei aus einer anwendungsorientierten Perspektive historischer Forschung

poster / demo / art installation
Authorship
  1. 1. Harald Lordick

    Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte Essen

  2. 2. Beata Mache

    SUB Göttingen

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Gemeinsame Normdatei
Die Anwendung von Normdaten und kontrollierten Vokabularen, die über einfache Glossare hinausgehen, gewinnt für die Geisteswissenschaften zunehmend Bedeutung: digitale Taxonomien, Thesauri, Ontologien. Die Posterpräsentation erläutert die Linked-Data-Strategie des Steinheim-Instituts (STI): die Annotation aller digitalen Angebote mittels der Gemeinsamen Normdatei (GND), die dafür entwickelten Tools, den Mehrwert der Teilnahme an der sich herausbildenden dezentralen Infrastruktur, das Weiterentwicklungspotenzial aus Praxisperspektive, schließlich die Notwendigkeit und Möglichkeit des schreibenden Zugriffs von Projektmitarbeitern auf die Normdatei sowie erste Erfahrungen damit.
Die GND ist eine Sammlung von Normdatensätzen zu Personen, Körperschaften, Konferenzen, Geografika, Sachschlagwörtern und Werktiteln. Sie wird im Bibliotheksbereich kooperativ erstellt und gepflegt und ist dort insbesondere im Zusammenhang der Katalogisierung etabliert. Der Zugriff auf die GND und ihre Integration in digitale Anwendungen ist schrankenlos möglich: Sie steht unter der Lizenz CC0, wird in verschiedenen Formaten angeboten (u.a. RDF) und ist über unterschiedliche Schnittstellen ansprechbar (u.a. OAI-PMH). Zudem stehen weitere Services wie BEACON Findbuch und Entity Facts bereit.
Identifikation und Disambiguierung durch Verschlagwortung mittels der GND einschließlich ihrer internen Relationen erlauben, entsprechende Schnittstellen vorausgesetzt, digitale Anwendungen als Linked Data anzubieten. Dies wird zunehmend in Webanwendungen von Bibliotheken, Kultureinrichtungen und eben auch Forschungsprojekten genutzt. Auch außerhalb der engeren Bibliothekssphäre findet man längst eine ausgeprägte und erfolgreiche Praxis – allerdings selten besprochen und diskutiert.

Verteilte Infrastruktur

Im Umfeld der Wikipedia ist eine dezentrale Recherche-Infrastruktur entstanden, die ein solches Linked-Data-Netz aufspannt. Eine Projektseite der deutschen Wikipedia (Wikipedia:BEACON) dient als ‚Collection Registry‘, in die entprechend ausgerüstete Angebote mit ihren BEACON-Dateien eingetragen werden. Diese BEACON-Dateien können frei genutzt werden (Public Domain), und erlauben die Vernetzung untereinander. Der Aggregator BEACON Findbuch enthält 488 (Stand 14.01.2018) dieser (noch stark biografieorientierten) Sammlungen. Deren „Fact Sheets“ liefern üblicherweise Basisinformationen zur recherchierten Entität sowie weiterführende Links.
Für verschiedene Webanwendungen des STI wurde ein eigener Service entworfen und implementiert, der diese Funktionalität fachspezifisch und nutzerzentriert bündelt und nicht nur für Personen, sondern das gesamte Spektrum der GND Antworten liefert (Abb.1).

Abbildung 1: STI Fact Sheet

Ein weiteres Tool dient dem Vergleich von BEACON-Dateien zur Ermittlung ihrer Schnittmenge hinsichtlich gemeinsamer IDs (Abb.2).

Abbildung 2: Vergleich von BEACON-Dateien

Use Case

Nach der retrospektiven GND-Annotation unterschiedlicher digitaler Webangebote des STI wurde dies Verfahren bei dem Projekt „Posener Heimat in der Literatur und Publizistik deutscher Juden 1918–1938“ schon bei Antragstellung eingeplant. Die Erschließungsdatenbank zur Zeitschrift „Posener Heimatblätter“ und das Projektblog werden zunächst konsequent anhand interner IDs annotiert und dann, soweit verfügbar, via GND-Verschlagwortung untereinander und extern vernetzt, ebenso die abschließende digitale Publikation.
Schon die laufende Projektarbeit profitiert von diesen Annotationen und den hierdurch erweiterten Recherchemöglichkeiten. Zudem werden durch intensive Recherche in deutschen und polnischen Archiven Informationen gehoben, anhand derer eine substanzielle Ergänzung der GND wünschenswert und möglich ist, durch Neuanlage, Ergänzung und Korrektur von Datensätzen.
Illustrierende Beispiele: Zu der jüdischen Kinderbuchautorin und Dichterin Frieda Mehler, die mit ihren Publikationen nach 1933 aus den deutschen Bibliotheken verbannt wurde, konnten im Projekt alle für einen GND-Personen-Datensatz notwendigen Informationen erhoben werden (Abb.3). Und zu dem Publizisten, Historiker und Kunstsammler Arthur Kronthal fand sich in der GND zwar ein Personen-Datensatz, aber ohne Lebensdaten und ohne Verknüpfung mit seinen gleichwohl katalogisierten Publikationen. Kronthal verbrachte seine letzten Lebensjahre in einem Siechenheim und verstarb im Jüdischen Krankenhaus in Berlin 1941. Er wurde fälschlich als
Adolph Kronthal im Sterberegister verzeichnet. Durch wissenschaftliche Archivrecherche und intellektuellen Abgleich der Daten gelang seine für die GND relevante Identifikation.

Abbildung 3: Eintrag zu Frieda Mehler im GND-Webformular

Folgerungen aus der Projektpraxis
Die bisher übliche Anwendung des GND/BEACON-Verfahrens ist schwerpunktmäßig biografie- und metadatenbezogen. Darüber hinaus erscheint jedoch die ausweitende Verschlagwortung etwa mit „Sachbegriffen“ oder „Organisationen“ sowie die tiefe Erschließung, d.h. die durchgängige Annotation von Volltexten (und nicht nur ihrer Metadaten) für die historische Forschung sehr attraktiv.
Die projektbezogene, zur bestmöglichen Verlinkung sinnvolle Auswertung aller oder passender BEACON-Dateien könnte unterstützt werden durch eine maschinenlesbare(re) ‚Collection Registry‘. Entsprechend wären Ansätze zu fördern, die darauf zielen, die „Weiternutzung der Daten zu vereinfachen“ (Wikipedia:BEACON). Auch die seitens DARIAH-DE angebotene „Collection Registry“ ist durch ihre Unterstützung von BEACON-Dateien geeignet.
Der hohe Stellenwert von Kooperation in den Digital Humanities wird an solchen Linked-Data-Projekten besonders deutlich. Je mehr Forschende mitmachen, desto größeren Nutzen ziehen alle Beteiligten aus diesem Netzwerk. Das gilt auch für die GND: Erst ein auch schreibender Zugriff auf die GND erlaubt einen ‚runden‘ Workflow und die adäquate Veröffentlichung des Projektwissens – und alle Normdatei-Anwender profitieren davon. Auch hier sind Fortschritte zu berichten: Nach Vereinbarung einer Kooperation mit einer Redaktionsstelle und der Registrierung bei der Deutschen Nationalbibliothek ist externen Akteuren die Neuanlage und Änderung von Personeneinträgen über das „GND-Webformular“ möglich. (Hartmann 2017)

Bibliographie

BEACON Findbuch
[letzter Zugriff 14. Januar 2018]

Gemeinsame Normdatei (GND)
[letzter Zugriff 14. Januar 2018]

Danowski, Patrick / Pohl, Adrian (Hg.) (2013):
(Open) Linked Data in Bibliotheken (Bibliotheks- und Informationspraxis 50), Berlin.

Hartmann, Sarah (2017): GND-Webformular – eine neue Schnittstelle für die GND
[letzter Zugriff 14. Januar 2018]

Informationsseite zur GND
[letzter Zugriff 14. Januar 2018]

Lordick, Harald (2015): »BEACON – »Leuchtfeuer« für Online-Publikationen«, in:
Deutsch-jüdische Geschichte digital, 17. Mai 2015,
[letzter Zugriff 14. Januar 2018]

Lordick, Harald (2016): Fachspezifische und nutzerzentrierte Perspektiven — Quellen vernetzen mit der Gemeinsamen Normdatei, in:
Deutsch-jüdische Geschichte digital, 27. November 2016,
[letzter Zugriff 14. Januar 2018]

Mache, Beata (2015):
Digitale Edition und Erschließung eines interreligiösen Periodikums aus dem Vormärz als editionsphilologische Aufgabe: Universal-Kirchenzeitung für die Geistlichkeit und die gebildete Weltklasse des protestantischen, katholischen und israelitischen Deutschlands (1837), Duisburg, Essen, Univ., Diss., 2015
urn:nbn:de:hbz:464-20150327-080454-5

Plum, Nathalie Madeleine (2017): Ein Thesaurus für den Naturschutz. Erstellung eines vernetzten Vokabulars für die Literaturdatenbank DNL-online, in:
Natur und Landschaft. Zeitschrift für Naturschutz und Landschaftspflege, 92 (2017), Nr. 8, S. 356–364.

Wikipedia:BEACON
[letzter Zugriff 14. Januar 2018]

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In review

DHd - 2018
"Kritik der digitalen vernunft"

Cologne, Germany

Feb. 26, 2018 - March 2, 2018

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Conference website: https://dhd2018.uni-koeln.de/

Contributors: Patrick Helling, Harald Lordick, R. Borges, & Scott Weingart.

Series: DHd (5)

Organizers: DHd