AGATE – European Academies Internet Gateway: Konzept für eine digitale Infrastruktur für die geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsvorhaben der europäischen Wissenschaftsakademien

poster / demo / art installation
Authorship
  1. 1. Ulrike Wuttke

    Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

  2. 2. Dominik Adrian

    Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

  3. 3. Carolin Ott

    Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

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AGATE ist ein von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Akademienunion) koordiniertes Forschungsprojekt, das in enger Zusammenarbeit mit ALLEA, dem Zusammenschluss von mehr als 50 europäischen Akademien der Wissenschaften, durchgeführt wird. Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist die Dachorganisation von acht deutschen Wissenschaftsakademien. Ihre Hauptaufgabe ist die Koordination des Akademienprogramms, dem derzeit größten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramm in Deutschland. Bei der Mehrheit der geförderten Projekte handelt es sich um Langzeitvorhaben im Bereich der geisteswissenschaftlichen, aber auch der sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung.
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ist das Projektziel das Ausloten des inhaltlichen, organisatorischen und technischen Rahmens für ein europäisches Akademienportal für die Geistes- und Sozialwissenschaften (European Academies Internet Gateway, kurz AGATE). Im Rahmen von AGATE sollen zum einen Informationen zu den umfangreichen geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsaktivitäten an den europäischen Wissenschaftsakademien gebündelt zur Verfügung gestellt und die digitalen Forschungsergebnisse und -daten besser auffindbar und zugänglich gemacht werden. Zum anderen sollen Informationen zu nachhaltigen digitalen Forschungsmethoden und Publikationspraktiken bereitgestellt bzw. auf bereits bestehende Informations- und Serviceangebote verwiesen werden. Um diese Ziele zu erreichen, sieht der momentane Stand der Planung für die Plattform zwei grundlegende Komponenten mit verschiedenen Ausbaustufen vor: eine Projektedatenbank und ein so genannter
Service and Information Hub.

Hintergrund
Die Grundidee für AGATE beruht auf den Erkenntnissen der SASSH-Umfrage (
Survey and Analysis of Basic Social Science and Humanities Research at the Science Academies and Related Research Organisations of Europe, 2013-2015), in der erstmals über 600 Forschungsvorhaben an europäischen Wissenschaftsakademien und ähnlichen Forschungsinstitutionen systematisch zu verschiedenen Themengebieten befragt wurden (Leathem & Adrian 2015). Viele der europäischen Wissenschaftsakademien sind wichtige nationale Forschungszentren im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften (SSH). Die Umfrage zeigte, dass die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung an den europäischen Wissenschaftsakademien angesichts der zunehmenden Digitalisierung mit großen Herausforderungen konfrontiert ist. Es zeigten sich bislang ungenutzte Potentiale in den Bereichen Kooperationen und Erfahrungsaustausch, digitale Infrastrukturen sowie digitale Forschungsmethoden und Publikationspraktiken.

Aus der Studie ging zum einen hervor, dass Kooperationen bzw. der Erfahrungsaustausch mit Forschungsvorhaben an anderen Akademien oftmals an mangelnden Informationen über potentielle Partnervorhaben scheitern. Zum anderen zeigte sich ein Nachholbedarf bezüglich des Wissensstandes über den Auftrag und die Angebote bzw. Kooperationsmöglichkeiten mit den europäischen SSH-Infrastrukturen (wie zum Beispiel CLARIN, DARIAH und Europeana). Des Weiteren wurde festgestellt, dass die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung der Akademien im Internet und für die breitere Öffentlichkeit kaum sichtbar ist, wobei neben der stärkeren Nutzung des Internets als Kommunikationsweg über die Vorhaben und Projekte besonders eine stärkere Umsetzung von Prinzipien wie Open Access und Open Data die Verbreitung, Sichtbarkeit und Nachnutzung der digitalen Forschungsergebnisse erhöhen würde.
Während des AGATE Kick-Off-Workshops am 13. Juni 2016, bei dem unter anderem Vertreter verschiedener europäischer Wissenschaftsakademien Einblicke in die Herausforderungen, verfügbaren Lösungen und Desiderata im Bereich der geistes- und sozialwissenschaftlichen Akademienvorhaben durch den Digital Turn gaben, wurde wiederholt die Sicherung der Nachhaltigkeit der digitalen Forschungsmethoden und Publikationsmethoden als große Herausforderung betont.Mehr Informationen zum Programm des Workshops, einschließlich eines ausführlichen Berichts (Wuttke, Ott & Adrian, 2016), finden sich auf der AGATE-Projektseite. Durch die lange Dauer der von Akademien durchgeführten Forschungsvorhaben und die entsprechende langfristige Relevanz der Forschungsergebnisse spielen gerade in diesem Bereich ein intensiver, möglichst interdisziplinärer Wissensaustausch, die verstärkte Abstimmung und Bündelung der Aktivitäten und Ressourcen der Akademien untereinander und die Zusammenarbeit mit starken Infrastrukturpartnern eine wichtige Rolle. Generell würde hier eine bessere Zusammenarbeit mit europäischen Infrastrukturanbietern und -initiativen wie CLARIN, DARIAH, Europeana und OpenAIRE, beziehungsweise die verstärkte Nutzung ihrer Angebote und das Aufzeigen von Bedarfen zu einer Situation mit Gewinn für alle Beteiligten führen.
Entwicklung eines konzeptionellen Exposés für AGATE
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus der SASSH-Umfrage und dem ersten Workshop sowie aus Expertengesprächen und Nutzerinterviews zeichnen sich momentan drei Schwerpunktbereiche heraus, die durch die Hauptkomponenten der im Rahmen des Posters vorgestellten paneuropäischen digitalen Infrastruktur für die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung (AGATE) adressiert werden sollten:
1) Sichtbarkeit und Konnektivität,
2) Wiederverwendung digitaler Projektergebnisse,
3) Nachhaltige digitale Forschungs- und Publikationspraktiken.
Die Ausarbeitung des konzeptionellen Exposés für AGATE ist von dem Grundgedanken getragen, wo immer möglich, auf bestehenden Angeboten aufzubauen, diese breiter bekannt zu machen und den Bedürfnissen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Akademien anzupassen, um somit die Zusammenarbeit zwischen den Akademien und den relevanten Infrastrukturen zu stärken.
1) Sichtbarkeit und Konnektivität
Trotz ihrer großen Bedeutung für die jeweilige nationale Wissenschaftslandschaft und ihrer langen Tradition, die sich insbesondere in der Langfristigkeit ihrer Forschungsvorhaben niederschlägt, sind Informationen über die an den europäischen Akademien durchgeführten geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekte in vielen Fällen schwer online auffindbar. Um die Sichtbarkeit und Konnektivität der geistes- und sozialwissenschaftlichen Akademienforschung zu verbessern, soll eine Projektedatenbank aufgebaut werden. Diese Datenbank würde so entwickelt und eingerichtet werden, dass sie detaillierte Informationen über die Forschungsaktivitäten der an Akademien angesiedelten Projekte und Vorhaben aufnehmen kann, wobei nicht nur klassische fachwissenschaftliche Kategorien (wie Forschungsgegenstand, Epoche, etc.), sondern auch digitale Methoden und Formate berücksichtigt würden, um den Wissensaustausch in diesen Bereichen zu befördern.
Die Datenbank würde sowohl Fachleuten als auch der interessierten Öffentlichkeit als zentrale Informationsquelle auf europäischer Ebene dienen. Gleichzeitig wäre sie für die Akademien ein einfaches und verhältnismäßig niedrigschwelliges Angebot, um die grundlegenden Informationen über ein Forschungsprojekt zu präsentieren, ohne eine eigene Projektwebseite aufbauen zu müssen.
Aus konzeptioneller und technischer Sicht stellt sich die Herausforderung, einen Katalog zu entwickeln, der es ermöglicht, Projekte nach einer Reihe relevanter Bereiche und Informationen zu erfassen, durchsuchen und zu clustern, und gleichzeitig möglichst intuitiv bedienbar ist. Zusätzlich soll ein Maximum an Konnektivität und Nachnutzung der Daten gewährleistet werden. Aus organisatorischer Sicht stellt sich die Frage, wie möglichst viele Projekte dazu bewegt werden können, sich in der Datenbank zu registrieren, bzw. die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen.
2) Wiederverwendung digitaler Projektergebnisse
Um die Wiederverwendung digitaler Projektergebnisse durch bessere Auffindbarkeit zu steigern, soll die Datenbank von Beginn an so angelegt werden, dass in einem weiteren Schritt die verfügbaren digitalen Ressourcen der Akademien und Projekte aufgezeigt werden können. Unter den Begriff ‚digitale Ressource’ (siehe u.a. Sahle 2015: 44) werden im Projektkontext sowohl digitale Publikationen in ‚klassischen’ Formaten wie Artikel oder Monografien gefasst, als auch die in der Akademienforschung verbreiteten
enhanced publications (wie Datenbanken, digitale Editionen und Wörterbücher), insbesondere
Work in Progress, ebenso digitale ‚Quellen’ wie Digitalisate oder Transkriptionen. Auch andere Formen wie Software-Code für DH-Tools sind denkbar. Der Anspruch an die Tiefe der Verknüpfung und Erschließung der digitalen Ressourcen beschränkt sich zunächst auf eine möglichst automatisierte Suche über Schnittstellen auf Metadatenebene und die weitergehende Betrachtung bzw. Forschung mit den ermittelten Ressourcen in ihrer originären Umgebung. Auch hier soll die Entwicklung in enger Abstimmung mit bestehenden infrastrukturellen Lösungen im europäischen Rahmen, wie etwa OpenAIRE, geschehen. AGATE würde somit den Weg ebnen, um einen zentralen Sucheinstieg für die heterogenen und verteilten digitalen geistes- und sozialwissenschaftlichen Ressourcen der europäischen Akademien zu entwickeln. Die Verknüpfung der heterogenen Ressourcen und digitalen ‘Silos’ würde die AGATE-Datenbank zu einem wertvollen Rechercheinstrument machen und einem breiten Publikum einen einfachen Zugang zu den digitalen Forschungsergebnisse der Akademien ermöglichen. Publikationen in Formaten, die für die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung an den Akademien typisch sind, wie Editionen, Wörterbücher und Korpora, könnten besonders hervorgehoben werden und würden dadurch erstmalig eine Plattform erhalten.

3) Nachhaltige digitale Forschungsmethoden und Publikationspraktiken
Um die generelle Stärkung der Nachhaltigkeit der digitalen Forschung durch wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch und Kooperationen zwischen den Einzelakademien und darüber hinaus zu erreichen, insbesondere mit relevanten Infrastrukturpartnern und -initiativen auf nationaler, disziplinspezifischer und internationaler Ebene, ist ein so genannter Service and Information Hub als weitere Komponente von AGATE angedacht.
AGATE würde eine enge transnationale Zusammenarbeit und Kooperation unterstützen, indem Informationen über relevante Infrastrukturpartner, andere Organisationen und Initiativen, ihre Angebote und Kooperationsmöglichkeiten entweder durch aktive Mitwirkung oder als Datenlieferant bereitgestellt werden. AGATE würde auch ein umfangreiches Angebot an Informationen zu Schulungen sowie Materialien bereitstellen, die sich auf digitale Forschungs- und Publikationspraktiken beziehen (z. B. Werkzeuge, Standards, Richtlinien und Best Practices). Um Dopplungen zu vermeiden, würden die konkreten Informationsmodule, die auf dem Portal angeboten werden, in enger Zusammenarbeit mit den relevanten europäischen Infrastrukturen im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften abgestimmt. Der Fokus läge vor allem darauf, auf einschlägige Ressourcen und Aktivitäten von Dritten zu verweisen (z.B. DiRT Directory, DHd-Blog), nicht eigene Materialien zu entwickeln.
In einem weiteren Schritt würden redaktionell betreute Informationen zu Spezialthemen wie Open Access oder Forschungsdatenmanagement im
Service and Information Hub einen Platz bekommen, wobei der Schwerpunkt auf der Bewusstseinsförderung und praktischen Handreichungen läge. Des Weiteren könnten in diesem Rahmen digitale Forschungswerkzeuge sowie weitere im Kontext der Akademien entwickelte digitale Lösungen präsentiert werden (z.B. als „Tool des Monats“). Der
Service and Information Hub würde ferner den Aufbau der Projektedatenbank flankieren, insbesondere wenn in diesem Rahmen konkrete Unterstützung für die Integration von Projektdaten und ggf. digitale Ressourcen in die Datenbank angeboten werden würde.

Der Service and Information Hub würde einerseits ein Forum für Erfahrungsaustausch und Kooperationen unter den IT- und Digital Humanities-Experten der europäischen Wissenschaftsakademien über digitale Tools und Methoden schaffen. Er würde aber auch andererseits eine Brücke zwischen dieser Community und den Fachwissenschaftlern schlagen und letztere stärker für Themen wie Open Access und Forschungsdatenmanagement sensibilisieren und aktiv befähigen.

Auf dem Poster werden Details der geplanten digitalen Infrastruktur vorgestellt. Dabei zeichnet sich beim bisherigen Stand der Arbeiten ab, dass bei der Konzeptionierung nicht nur innovative technische Lösungen ausschlaggebend sind. Ebenso wichtig sind die Sicherstellung der organisatorischen Nachhaltigkeit der geplanten Infrastruktur, die größtmögliche Einbindung der wichtigsten Nutzergruppen schon in der Aufbauphase des Portals sowie rechtliche Fragen.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Projekttitel „Aufbau eines europäischen Akademienportals“ (Laufzeit Oktober 2015-März 2017, Förderkennzeichen 01UG1503) gefördert.

Bibliographie

Akademienunion:
http://www.akademienunion.de/ [letzter Zugriff 30. November 2016].

AGATE-Projektseite:
http://www.akademienunion.de/agate/ [letzter Zugriff 30. November 2016].

ALLEA (ALL European Academies):
www.allea.org [letzter Zugriff 30. November 2016].

Leathem, Camilla / Adrian, Dominik (2015):
Bestandsaufnahme und Analyse geistes- und sozialwissenschaftlicher Grundlagenforschung an den europäischen Wissenschaftsakademien und ähnlichen Forschungseinrichtungen.
Union der deutschen Akademien
https://edoc.bbaw.de/files/1902/2015Projektpublikation_SASSH_ deutsch_A1b.pdf [letzter Zugriff 30. November 2016].

Sahle, Patrick (2015):
„Forschungsdaten in den Geisteswissenschaften“,
in:
Bulletin SAGW 4/2015: 43–45.

Wuttke, Ulrike / Ott, Carolin / Adrian, Dominik (2016):
AGATE: Chances and Challenges of a European Academies Internet Gateway: Kick-Off Workshop of the project “Elaboration of a Concept for a European Academies Internet Gateway (AGATE). Workshop Report 1.
Union of the German Academies of Sciences and Humanities
http://www.akademienunion.de/fileadmin/redaktion/user_upload/Publikationen/BMBF-Projekt/AGATE_Erster_Workshop_Bericht_23.08.2016.pdf [letzter Zugriff 30. November 2016].

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Conference Info

In review

DHd - 2017
"Digitale Nachhaltigkeit"

Hosted at Universität Bern (University of Bern)

Bern, Switzerland

Feb. 13, 2017 - Feb. 18, 2017

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Conference website: http://www.dhd2017.ch/

Contributors: Patrick Helling, Harald Lordick, R. Borges, & Scott Weingart.

Series: DHd (4)

Organizers: DHd