Zugänglichkeit und dauerhafte Nutzbarkeit historischer Bildrepositorien für Forschung und Vermittlung

panel / roundtable
Authorship
  1. 1. Florian Niebling

    Julius-Maximilians Universität Würzburg (Julius Maximilian University of Wurzburg)

  2. 2. Sander Münster

    Technische Universität Dresden (TU Dresden)

  3. 3. Kristina Friedrichs

    Julius-Maximilians Universität Würzburg (Julius Maximilian University of Wurzburg)

  4. 4. Frank Henze

    Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg

  5. 5. Cindy Kröber

    Technische Universität Dresden (TU Dresden)

  6. 6. Jonas Bruschke

    Julius-Maximilians Universität Würzburg (Julius Maximilian University of Wurzburg)

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Digitalisate historischer Fotografien und deren Nutzbarkeit zur geschichtswissenschaftlichen Forschung und quellenbasierten Vermittlung stellen ebenso wie räumliche Modelle historischer Objekte Kernthemen der Digital Humanities dar. Angesichts des Umfangs derartiger Repositorien besteht eine wesentliche Herausforderung darin, für die Beantwortung geschichtswissenschaftlicher Fragestellungen relevante und aussagekräftige Quellen zu finden, zu kontextualisieren sowie die darin beschriebenen historischen Objekte vorstellbar zu machen. Die Verbindung zwischen digitalen Bildrepositorien und Raumbezug verspricht durch eine Zusammenführung und nutzerzentrierte Präsentation von Informationsbeständen ein umfassendes Repertoire technischer Unterstützungsoptionen geschichtswissenschaftlicher Forschungspraxis. Im Gegensatz zu bisherigen Zugängen zu Bild- und Planrepositorien wird durch die dreidimensional-räumliche Verortung von Quellen, ebenso wie durch ihre Vor-Ort-Präsentation ein hohes Maß intuitiver Zugänglichkeit und Kontextbezuges geschaffen. Im Panel diskutiert werden innovative Softwarewerkzeuge und damit verbundene methodische Ansätze für die Verwendung historischer Bildrepositorien in der stadt- und architekturgeschichtlichen Forschung. Hierbei sollen ausgehend von aktuellen digitalen Rekonstruktionsprojekten Forschungsmethoden vorgestellt, kategorisiert und hinsichtlich vorhandener Unterstützungsbedarfe diskutiert werden. Davon ausgehend werden softwaretechnische Methoden aufgezeigt, welche einerseits den Zugang zu Bildrepositorien erleichtern und dadurch eine dauerhafte Benutzbarkeit sicherstellen sollen, sowie andererseits in Fotografien verborgenes Wissen, beispielsweise über den Betrachterstandpunkt und den Zeitpunkt der Aufnahme zugänglich machen.
Dr. Kristina Friedrichs: Methoden architekturgeschichtlicher Forschung
Die Kunstgeschichte kann auf eine lange Tradition der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Architektur zurückblicken. Im Zuge dessen haben sich verschiedene Methoden des Herangehens entwickelt, die sowohl tatsächlich erhaltene als auch nie gebaute oder später zerstörte Bauwerke zum Zwecke der Chronologisierung, der historischen Kontextualisierung und Bedeutungsentschlüsselung erschließen.
Neue technologische Möglichkeiten erlauben es Architekturhistorikern einerseits, ihre Untersuchungen auf einen größeren Fundus an Quellen aufzubauen, die beispielsweise durch digitale Bildarchive zur Verfügung gestellt werden. Andererseits ergeben sich neue methodische Ansätze aus innovativen Software-Werkzeugen, die helfen, die Quellen zeitlich wie räumlich zu verorten, oder die Forschung durch Visualisierungen bei der Erstellung von Datierungen, stilkritischen Betrachtungen, der Zuweisung von Autorenschaften oder bauarchäologischen Untersuchungen zu unterstützen (Verstegen 2007).
Gerade am Beispiel der Stadt Dresden mit ihrer reichen und wechselhaften Geschichte lassen sich dank umfangreicher Bildrepositorien neue Untersuchungsfelder eröffnen. Am Dresdner Zwinger wurden große Teile der Planungs- und Baugeschichte durch Visualisierungen nachvollzogen und darüber hinaus die fertigen Modelle in die Vermittlung innerhalb eines musealen Kontextes überführt (Jahn/Welich 2009). Für die Kunstgeschichte ergeben sich vor diesem Hintergrund mannigfaltige neue Arbeitsansätze, die sowohl hinsichtlich ihrer Methodik diskutiert werden müssen, als auch einer Unterstützung mithilfe von adäquaten Werkzeugen aus den technischen Disziplinen bedürfen.
Dr. Sander Münster: Eine Wissensbasis für die Digital Visual Humanities
Eine daran eng anknüpfende Frage ist die nach einer methodischen Validierung digitaler Methoden sowie insbesondere der Verwendung von Bildrepositorien im Kontext der Architekturgeschichte (c.f. Arbeitstagung digitale Kunstgeschichte 2014). Dies umfasst zunächst einmal den Bedarf, ein Spektrum digitaler Werkzeuge sowie Verwendungskontexte im Kontext der Kunstgeschichte zu systematisieren (Kohle 2013, Heusinger 1989). Vor diesem Hintergrund sollen im Rahmen dieses Vortrags Ergebnisse dreier Workshops vorgestellt werden, welche 2016 auf internationalen Konferenzen abgehalten wurden und bei welchen unter Einbeziehung von ca. 100 Experten mit den Schwerpunkten Cultural Heritage und Digital Visual Humanities wesentliche Methoden und Forschungsansätze sowie Podien erfasst und systematisiert wurden.
Darüber hinaus sollen im Vortrag exemplarisch spezifische fachkulturelle sowie wissenschaftlich-methodische Herausforderungen des Einsatzes digitaler Methoden sowie insbesondere von Bildrepositorien im Kontext architekturgeschichtlicher Forschung beleuchtet werden. Dazu gehören Aspekte wie die Transparentmachung von Erkenntnisprozessen (Benkowska-Kafel et al. 2012) ebenso wie eine bildgestützte Diskurskultur (vgl. Münster, Friedrichs & Hegel in Vorb.) sowie nicht zuletzt der Blick auf eine digitale Nachhaltigkeit. Im Ergebnis sollen somit nicht nur ein methodologischer State-Of-the-Art vorgestellt, sondern auch die Determinanten für die Konzeption digitaler Werkzeuge und Unterstützungsoptionen skizziert werden
Cindy Kröber: Zielgruppen-orientierte Erstellung von Werkzeugen für die Arbeit mit Bildrepositorien
Der Erfolg von Bilddatenbanken hängt stark von der Usability der Anwendung sowie der Tauglichkeit als Forschungs- oder Vermittlungstool ab. Bisherige Werkzeuge und Funktionalitäten entsprechender Anwendungen entsprechen häufig nicht den Bedarfen der architektur- und kunstgeschichtlichen Forschung und Vermittlung (Dudek et al. 2015).
Allgemeine Anforderungen der Nutzer sind ein schnelles Verstehen der Daten und Informationen, effiziente Such- und Filterfunktionen und eine intuitiv bedienbare Softwareoberfläche und Navigation (Barreau et al. 2014). Für Forschungsanliegen spielen wissenschaftliche Standards wie die ausführliche Dokumentation durch Metadaten eine wichtige Rolle (Maina/Suleman 2015). Eine interessierte Öffentlichkeit erwartet hingegen eine direkte und überschaubar gestaltete Einführung in das Thema und die entsprechenden Daten (Maina/Suleman 2015) sowie weitere Informationsangebote nach Bedarf. Für die Forschung sind visuelle Darstellungen von Hypothesen und Zusammenhängen wichtig (López-Romero 2014). Die erweiterte Bildanalyse von Fotos eines Objektes über die Zeit erlaubt die Detektion baulicher Veränderungen.
Um zielgruppen-orientiert Softwarewerkzeuge für die Arbeit mit Bildrepositorien und insbesondere Bilddatendanken zu entwickeln, müssen die Unterstützungsmöglichkeiten identifiziert, konzipiert und überprüft werden. Die Nutzer sind von Beginn an mit Hilfe qualitativer Interviews und umfassenden Untersuchungen zu Nutzerverhalten und Nutzerinteraktion involviert.
Jonas Bruschke: Werkzeuge für die Dokumentation digitaler Rekonstruktionsprozesse
Digitale Rekonstruktionen können Experten und Laien ein Bild nicht mehr oder nur in Teilen existenter Gegenstandände vermitteln. 3D-Modelle sind dabei nicht nur Gegenstand der Betrachtung, sondern auch Forschungsgegenstände. Neben den materiellen Quellen die bei der Erstellung von 3D-Modellen eingesetzt werden, wie Pläne und Fotografien, handelt es sich oft auch um immaterielle Quellen, beispielsweise die Entscheidung von Experten. Resultierende Visualisierungen haben letztendlich aber keinen direkten Bezug mehr zu den verwendeten Quellen. In aller Regel ist für eine externe, nicht an der Entstehung des Modells beteiligte Person oft nur schwer nachvollziehbar, ob eine Rekonstruktion auf verlässlichen Fakten beruht und inwieweit und welche Hypothesen bei der Erstellung eine Rolle spielten. Eine ausführliche, lückenlose Dokumentation der Rekonstruktion ist daher essentiell und sollte möglichst alle Aspekte und jegliches während der Bearbeitung erlangte Wissen umfassen. Dies betrifft nebst der Protokollierung der Entscheidungen auch Schwierigkeiten während des Entstehungsprozesses.
Eine solch umfangreiche Dokumentation kommt in den Rekonstruktionsprojekten in der Regel nicht zustande (Pfarr 2010, Münster 2014). Zur Unterstützung des Dokumentationsverhaltens müssen interdisziplinären Projektteams, vorrangig bestehend aus Historikern und Modelleuren, geeignete Werkzeuge in die Hand gelegt werden. Die Abläufe und Problemstellungen solcher Projekte wurden bereits umfangreich untersucht (Münster 2014). Darauf aufbauend wurde ein erster Prototyp entwickelt (Bruschke 2015), welcher zum einen als zentrales Element während eines Projektes zum Einsatz kommen soll, indem es von der Koordination des Projektes über das Einpflegen und Halten der Daten bis hin zur direkten Arbeit und Diskussion am 3D-Modell viele Abläufe eines Rekonstruktionsprojektes unterstützt und gleichzeitig auch protokolliert. Dieses angesammelte Wissen kann außenstehenden Personen in Form einer Rechercheplattform zugänglich gemacht werden und gegebenenfalls durch sie verifiziert werden.
Dr. Frank Henze: Photogrammetrische Methoden zur Wissensgenerierung aus Bildbeständen
Das Potenzial fotografischer und photogrammetrischer Aufnahmen reicht von der reinen
Bilddokumentation im Bereich der Archäologie und Denkmalpflege, über die
Bildinterpretation, zum Beispiel für Schadensdokumentationen, bis hin zur Erstellung
maßstäblicher Bildpläne und komplexer
3D-Modelle für baugeschichtlich-archäologische Untersuchungen (z.B. Bührer et al. 2001, Hanke 2001).

Aus fotografischen Aufnahmen lassen sich, bei Vorliegen entsprechender Bildinhalte, geometrische Informationen über die abgebildeten Objekte zum Zeitpunkt der Aufnahme rekonstruieren. Die Grundlagen für die geometrische Rekonstruktion aus historischen Fotografien bilden die analytischen Verfahren der Photogrammetrie, d.h. die Gewinnung zwei- und dreidimensionaler Objektgeometrien aus den zweidimensionalen Bildinformationen. Beispiele für die photogrammetrische Auswertung historischer Aufnahmen und Messbilder finden sich unter anderem in Wiedemann et al. 2000, Bräuer-Burchardt und Voss 2001, Henze et al. 2009 oder Siedler et al. 2011. Die klassischen Verfahren der analytischen Photogrammetrie werden dabei zunehmend ergänzt durch angepasste Verfahren der digitalen Bildverarbeitung und Bildanalyse. Der aufwändige Prozess der manuellen Bildauswertung kann damit weitgehend automatisiert werden, womit auch große Bildbestände für eine automatische Gewinnung geometrischer Informationen erschlossen werden können (Pomaska 2011).
Bisher werden automatisierte photogrammetrische Verfahren in der Regel jedoch ausschließlich für die Auswertung aktueller, zumeist digitaler Aufnahmen eingesetzt. Angepasste Verfahren für eine (semi-) automatische Auswertung historischer Bildbestände fehlen bisher. Dabei muss u.a. auf die Besonderheiten gescannter Analogaufnahmen mit zumeist unbekannter Kamerageometrie, fehlenden bzw. minimalen Objektinformationen und z.T. geringer radiometrischer und geometrischer Auflösung reagiert werden. Ziel ist es, anwendungsorientierte Werkzeuge für eine photogrammetrische Auswertung historischer Fotografien zu entwickeln und diese in den Prozess der geschichtswissenschaftlichen Bildanalyse zu integrieren und damit einen räumlichen Bezug zur heutigen Situation zu schaffen.
Dr.-Ing. Florian Niebling: Augmented Reality in den Visual Humanities
Bei der Nutzung digitaler Bildrepositorien sind zwei wesentliche Vorgehensweisen der Informationserschließung erkennbar: Einerseits ein selbstgesteuertes Durchsuchen von Sammlungen historischer Fotografien, Zeichnungen und Pläne, andererseits eine orts- oder kontextbezogene Informationsvermittlung beispielsweise im Zuge stadträumlicher oder musealer Präsentation (Münster et al. 2016). Die Vor-Ort-Darstellung von und Interaktion mit geschichtswissenschaftlichen Daten in der Augmented Reality hat hierbei in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und wurde vielfältig erprobt und untersucht (Livingston et al. 2008; Zöllner et al. 2010; Walczak 2011).
Augmented Reality beschreibt dabei die Anreicherung der realen Welt durch virtuelle Daten, wobei es sich sowohl um 3D-Modelle, Texte, Bilder, Filme oder auch Audiodaten handeln kann. Durch die Anreicherung der Realität oder Ersetzung von Teilen der Realität können Augmented Reality Methoden helfen den Unterschied zwischen verschiedenen Zuständen von Objekten darzustellen (Niebling, 2008). Im geschichtswissenschaftlichen und stadthistorischen Kontext wird es dem Betrachter ermöglicht, interaktiv visuelle und textuelle Informationen zu dreidimensional vermessenen Objekten in ihrem historischen räumlichen Bezugssystem zu erfassen. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Zugänglichkeit historischer Datenbestände. Wie können Interaktionsmöglichkeiten mit virtuellen Gebäuden und mit ihnen verknüpften Informationen gestaltet werden? Können aus dem Umgang mit Mobilgeräten bekannte Interaktionsmetaphern in der Augmented Reality weiterverwendet werden? Welche Vermittlungsmethoden können in Augmented Reality Anwendungen zum Einsatz kommen?

Bibliographie

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in: Heine, Katja / Rheidt, Klaus / Henze, Frank / Riedel, Alexandra (eds.):
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Siedler, Gunnar / Sacher, Gisbert / Vetter, Sebastian (2011):
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in: Heine, Katja / Rheidt, Klaus / Henze, Frank / Riedel, Alexandra (eds.):
Von Handaufmaß bis High Tech III - 3D in der historischen Bauforschung.
Mainz: Verlag Philipp von Zabern 26–32.

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in: Jerem, Erszébet / Redő, Ferenc / Szeverényi, Vajk (eds.):
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Zöllner, Michael / Becker, Mario / Keil, Jens (2010):
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in: Artusi, Alessandro / Joly-Parvex, Morwena / Lucet, Genevieve / Ribes, Alejandro / Pitzalis, Denis (eds.):
11th International Symposium on Virtual Reality, Archaeology and Cultural Heritage (VAST 2010).
Paris: Eurographics Association.

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In review

DHd - 2017
"Digitale Nachhaltigkeit"

Hosted at Universität Bern (University of Bern)

Bern, Switzerland

Feb. 13, 2017 - Feb. 18, 2017

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Contributors: Patrick Helling, Harald Lordick, R. Borges, & Scott Weingart.

Series: DHd (4)

Organizers: DHd