Emosaic – Visualisierung von Emotionen in Texten durch Farbumwandlung zur Analyse und Exploration

paper
Authorship
  1. 1. Martin von Lupin

    Fachhochschule Potsdam (FHP / University of Applied Sciences Potsdam)

  2. 2. Philipp Geuder

    Fachhochschule Potsdam (FHP / University of Applied Sciences Potsdam)

  3. 3. Marie-Claire Leidinger

    Fachhochschule Potsdam (FHP / University of Applied Sciences Potsdam)

  4. 4. Tobias Schröder

    Fachhochschule Potsdam (FHP / University of Applied Sciences Potsdam)

  5. 5. Marian Dörk

    Fachhochschule Potsdam (FHP / University of Applied Sciences Potsdam)

Work text
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Abstract

Das
computergestützte Extrahieren und Visualisieren von Emotionen in Texten ist eine
etablierte Technik des “Distant Reading”. Die generelle Stimmung eines Textes
kann schnell erfasst werden ohne den gesamten Text lesen zu müssen. Da Emotionen
sehr komplex und die Eigenschaften zwischen verschiedenen Emotionen fließend
sind, ist die visuelle Charakterisierung von Emotionen schwierig. Wir stellen
Emosaic vor, ein Online-Tool welches Emotionen aus
benutzerdefinierten Texten filtert und durch systematische und nachvollziehbare
Farbumwandlung zur Exploration und Analyse innerhalb einer interaktiven
Visualisierung bereitstellt. Die durch drei Dimensionen beschreibbaren Emotionen
werden dabei in klar definierte Farbparameter übersetzt. Ein
von uns entwickelter öffentlich zugänglicher Web-Prototyp ( vgl. Geuder et al. 2014-) zeigt
anhand interaktiver Visualisierungen erste Analyse- und
Explorationsmöglichkeiten dieser Methode.

Einleitung

Wörtern wurden bereits in verschiedenen Studien Emotionen anhand von
Emotionsdimensionen wie Valenz (V, engl. valence), Erregung (A, engl. arousal)
und Dominanz (D, engl. dominance) zugewiesen (Osgood 1962). Diese Dimensionen
sind eine Möglichkeit, Emotionen anhand numerischer Werte zu beschreiben und
nach der Affect Control Theory Grundlage aller sozialen Interaktionen (Rogers et
al. 2013). Mithilfe der in diesem Forschungskontext empirisch entstandenen
Emotionswörterbücher können einem Text somit verschiedene Emotionen numerisch
zugeordnet werden. Die dreidimensionale numerische Beschreibung von Emotionen
ist hingegen dem intuitiven Verständnis nicht leicht zugänglich. Eine visuelle
Entsprechung für sämtliche Emotionszustände würde helfen, die mehrdimensionale
Emotionalität eines Textes schnell erfassbar und zudem explorierbar zu machen.

Verwandte Arbeiten

Die Analyse und Visualisierung von benutzergenerierten Inhalten ist ein spannendes und aktuelles Forschungsgebiet. Sowohl wegen des Entstehens großer Textmengen durch Trends wie Online-Weblogs, durch maschinell auslesbare Schnittstellen zu solchen Diensten und durch die Leistungssteigerung von Hardware und Software, hat das Interesse daran zugenommen.

We feel fine

(Kamvar et al. 2011) ist ein interaktives Tool welches
die Exploration von Emotionen in Weblogs ermöglicht mit dem Ziel den
Menschen dabei behilflich zu sein sich selbst bzw. andere Personen besser zu
verstehen. Die Ausgabe erfolgt anhand einer experimentellen Visualisierung.
Es kann als Suchmaschine verstanden werden, welche das Web nach Emotionen
durchsucht. Jede gefundene Emotion wird als Kreis dargestellt. Die Füllfarbe
ist abhängig von der zu repräsentierenden Emotion. Glückliche Emotionen
werden durch ein helles Gelb vertreten, während Ärger durch ein Rot
dargestellt wird. Diese Farbkodierung hilft dem Benutzer bei der groben
Unterscheidung von Emotionen, es können diese jedoch nicht weitergehend
charakterisiert werden.

We feel
(Milne et al. 2015) ist ein webbasiertes Tool welches Emotionen in sozialen
Medien verfolgt und aufzeichnet. Das Ziel ist die Aufzeichnung der Weltstimmung
bzw. der Stimmung eines Landes um die Verbreitung von physischen Problemen zu
erforschen. Die Ausgabe erfolgt anhand interaktiver Graphen und Diagramme. Die
Emotionen werden durch deren Namen in Textform dargestellt. Eine Farbkodierung
innerhalb der Diagramme hilft bei der Orientierung wobei auch hier keine
differenzierte Identifikation von Emotionen bzw. Nuancen zwischen ähnlichen
Emotionen möglich ist.
Während beide Tools als Datengrundlage Emotionen aus Webeinträgen nutzen, ist es
hingegen unser Ziel die benutzerdefinierte Eingabe eines Textes zu ermöglichen.
Zusätzlich sollen sowohl differenzierte als auch nachvollziehbare farbliche
Repräsentationen für Emotionen verwendet werden. Die Farbkodierung von Emotionen
zur besseren Orientierung innerhalb visueller Darstellungen scheint eine
etablierte Methode zu sein, jedoch lassen die bisher vorliegenden
Kodierungssysteme keine fundierte Emotionsbeschreibung zu. Emosaic hingegen nutzt eine direkte Umwandlung der drei Emotionsebenen
in klar definierte Farbparameter, sodass Worte nicht notwendig sind, um
Emotionen in Texten unterscheiden und klassifizieren zu können.

Methodisches Vorgehen

Farbzuweisung

Da die Emotionalität eines Wortes nach der Affect Control Theory durch genau einen Punkt im dreidimensionalen Emotionsraum beschrieben werden kann, ist eine Farbzuweisung anhand eines dreiparametrigen Farbraums plausibel. Nach mehreren Iterationen in verschiedenen Farbräumen, wählten wir schließlich den HSV-Farbraum. Die drei Parameter des HSV-Farbraums weisen einen hohen eigenständigen Einfluss auf die resultierende Farbe auf (Farbwert, Farbsättigung und Hellwert). Da der Einfluss eines Parameters auf das Farbresultat klar sichtbar ist, eignet sich dieser Farbraum gut für die Farbumwandlung der drei Emotionsebenen. Von Probanden als plausibel wahrgenommene Ergebnisse erzielten wir, wenn Valenz den Farbwert bestimmt (H, engl. hue), Erregung die Farbsättigung (S, engl. saturation) und Dominanz den Hellwert (V, engl. value).

Während die Sättigung und die Helligkeit Minima und Maxima analog zu Dominanz und Erregung beschreiben, stellt der Farbwert einen kontinuierlichen Farbverlauf dar. Um eine Farbwertannäherung an den Rändern zu vermeiden, haben wir bei der Farbzuweisung einen Farbwertbereich bewusst ausgespart, sodass eine Grenze zwischen Minima und Maxima deutlich hervortritt. Blau entspricht dem Minimum, rot dem Maximum und grün einem mittleren neutralen Valenzwert.

Für die Beurteilung der Zuordnung orientierten wir uns an den sechs Basisemotionen (Liebe, Überraschung, Freude, Wut, Trauer und Angst), wobei wir die Zuweisung der Emotionsdimensionen auf die Farbdimensionen so wählten, dass Liebe einem Rot- / Pinkton entspricht, um der tradierten Farb-Emotions-Zuweisung in der westlichen Kultur zu entsprechen (Abbildung 1a). Eine informelle Studie zeigte, dass diese Form der Zuordnung als intuitiv bewertet wurde. Daneben zeigte sich in Übereinstimmung mit unserer Farbzuweisung, dass negative Gefühle eher dunkel sind und kühlen Farbtönen wie blau oder grün zugeordnet werden (Abbildung 1b), dagegen positive Gefühle eher hell sind und mit warmen Farbtönen wie gelb oder orange in Verbindung gebracht werden (Abbildung 1c).

Datengrundlage für die Charakterisierung der Emotionen

Wir verwenden für die Farbumwandlung das ANEW-Wörterbuch (Warriner et. al
2013) mit über 13.000 englischen Wörtern. Das Wörterbuch wurde ebenfalls vom
Projekt “We feel” verwendet.

Möglichkeiten der Farbübersetzung

Durch die Farbübersetzung können emotionale Stimmungen in Texten visuell
miteinander verglichen werden. Zusätzlich können Emotionen eines Textes in
verschiedenen Ebenen analysiert werden. Sowohl die Gesamtstimmung eines
Textes als auch einzelne Sätze können in den Fokus gerückt werden.
Stimmungsänderungen im Text können so visuell dargestellt werden. Zudem ist
das Filtern von Emotionen möglich. Die farbliche Kodierung unterstützt dabei
die Regulierung der Filter.

Aufbau und Funktionsweise des Tools
Grundlegend für die Funktionsweise des Tools ist die Eingabe eines Textes.
Der Nutzer kann aus vorgegebenen Texten verschiedenster Länge wählen oder
einen eigenen Text innerhalb eines Textfeldes platzieren. Nach der
serverseitigen Textanalyse sind verschiedene statische und interaktive
Darstellungen verfügbar. Die Darstellung der Emotionsanalyse teilt sich in
drei Bereiche auf: Makroansicht, Textansicht und Mikroansicht (Abbildung 2).
Die drei Bereiche sind miteinander verlinkt. Grundlegend für die dynamische
Änderung einer Ansicht ist die Auswahl von einzelnen Emotionen bzw. Wörtern
oder einem Bereich innerhalb einer Emotionsdimension.
Die Textansicht ist der zentrale Bereich des Tools
(Abbildung 3b). Oberhalb befindet sich ein Histogramm mit permanenter
Positionierung und darunter der zu Beginn eingegebene Text, welcher durch
Scrollen in voller Länge gelesen werden kann. Ist noch keine Auswahl
getroffen, werden alle emotionsrelevanten Wörter innerhalb des Textes durch
Hinterlegung mit der korrespondierenden Farbe hervorgehoben. Bei einer
Auswahl tritt die Farbhinterlegung von Wörtern, welche außerhalb der Auswahl
liegen, in den Hintergrund. Im Histogramm werden alle im Text vorkommenden
Farben angeordnet. Die x-Achse kann mit einer der Emotionsdimensionen belegt
werden. Durch diesen Ansicht wird die Verteilung innerhalb der Dimensionen
sichtbar. Das Histogramm dient zum einen als emotionaler Fingerabdruck und
zum anderen als Auswahlwerkzeug. Der Nutzer hat die Möglichkeit durch
Klicken und Ziehen einen Bereich im Histogramm auszuwählen. Hierdurch
verändert sich dynamisch die Auswahl an Emotionsworten. Durch dieses
Brushing ändern sich entsprechende Elemente in der Makro- und Mikroansicht.
Alternativ zur Mehrfachauswahl kann eine Einzelauswahl durch einen Mausklick
auf das entsprechende Wort vorgenommen werden.
Die
Makroansicht bietet einen ersten Überblick über allgemeine Emotionstendenzen und -entwicklungen im Text (Abbildung 3a). Mit dem links platzierten Diagramm kann untersucht werden, inwiefern sich die einzelnen Werte (V, A, D) innerhalb des Textes verändern und wie sie in Beziehung zueinander stehen. Hat der Nutzer eine Auswahl getroffen bietet der Index daneben eine Übersicht darüber, wo sich die entsprechenden Textstellen befinden. Klicken auf den Index ermöglicht schnelles Springen zur entsprechenden Textpassage.

Die Mikroansicht ermöglicht das Explorieren des Textes
im Detail (Abbildung 3c). Die Wörter innerhalb der getroffenen Auswahl
werden hier aufgelistet. Zu der Emotionsfarbe und der Häufigkeit des
Vorkommens erfährt der Nutzer hier auch die Zusammensetzung aus den
vad-Werten. Hat der Nutzer nur ein Emotionswort gewählt, werden zusätzlich
emotionsverwandte Worte aufgelistet, um weiteres Explorieren des Textes zu
ermöglichen.

Zukünftige Arbeiten

Die Analyse und Exploration von Emotionen in Texten anhand von Farben, basierend auf deren Emotionsdimensionen ist ein innovativer Ansatz zur Textanalyse. Der Umgang durch Nutzer mit unserem Tool ist dabei Bestand weiterer Untersuchungen. Hierzu ist bereits eine langfristig angesetzte Evaluation gestartet worden, die neben automatisch generierten Parametern der Texte wie Länge und Emotionalität auch von Nutzern angegebenes Feedback wie zum Beispiel dem Verwendungszweck des Tool beinhaltet. Auf Basis der Evaluationsergebnisse planen wir Erkenntnisse zu der Wirkung von Farbumwandlung von Emotionen und dem generellen emotionsbezogenen Interessensfokus von Nutzern zu gewinnen. Limitiert durch unser verwendetes Wörterbuch ist die Analyse momentan ausschließlich auf englische Texte beschränkt. Wir planen weitere Sprachen zu integrieren, insofern ähnliche Wörterbücher für diese Sprachen zur Verfügung stehen. Zudem muss ein möglicher Mehrwert neuer bzw. alternativer Textanalysemethoden untersucht werden. Da Farben und deren emotionale Empfindung kulturabhängig sind, wäre die Untersuchung von Sprachen aus verschiedenen Kulturräumen ebenfalls besonders interessant. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie mit der Kombination von Adjektiven und bedeutungsverändernden Partikeln („a little bit“, „very“, „not“, „only“) und der damit einhergehenden Veränderung des emotionalen Gehalts des Wortes umgegangen wird.

Bibliographie

Geuder, Philipp / Leidinger, Marie-Claire / von Lupin,
Martin (2014-): emosaic
http://emosaic.de/ [letzter Zugriff
10. Februar 2016].

Kamvar, Sepandar D. / Harris, Jonathan (2011): "We feel
fine and searching the emotional web", in: Proceedings of
the Fourth ACM International Conference on Web Search and Data
Mining. ACM 117–126.

Milne, David / Paris, Cecile / Christensen, Helen /
Batterham, Philip / O'Dea, Bridianne (2015): "We Feel: Taking the
emotional pulse of the world", in: Proceedings of the 19th
Triennial Congress of the International Ergonomics Association (IEA
2015).

Moretti, Franco (2013): Distant
Reading. London / New York: Verso.

Osgood, Charles E. (1962): "Studies on the generality
of affective meaning systems", in: American
Psychologist 17, 1: 10-28.

Rogers, Kimberly B. / Schröder, Tobias / von Scheve,
Christian (2014): “Dissecting the sociality of emotion: A
multilevel approach”, in: Emotion Review 6: 24-33.

Warriner, Amy Beth / Kuperman, Victor / Brysbaert, Marc
(2013): "Norms of valence, arousal, and dominance for 13,915 English
lemmas", in: Behavior Research Methods 45: 1191-1207.

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DHd - 2016
"Modellierung - Vernetzung – Visualisierung: Die Digital Humanities als fächerübergreifendes Forschungsparadigma"

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March 7, 2016 - March 11, 2016

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Contributors: Patrick Helling, Harald Lordick, R. Borges, & Scott Weingart.

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